Tuesday, April 28, 2009

 

Sex

Dies ist die zweite, natürlich verbesserte Version des Artikels, der in der Printausgabe von Bagger erschienen ist. (www.derbagger.org/artikel/sex).

Sex ist das Tiefste im menschlichen Leben. Außer der mystischen Erlebnisse. Diese haben aber wenige inne. Warum wir Sex fördern sollten.

"Óbršwajn! Klána Perversiána!" hallte es mir aus dem Zigarrenzimmer, wo der Gästecomputer steht, entgegen. Mein Gast wollte Emails checken und aus dem Browser poppten ihr unzählige Fenster entgegen: Or-al und andere -ale Sexarten, Orgasmus, Hegels Phänosexologie der Geistes usw. Ich musste recherchieren.

This is SEX, peeps, not a picknick!

Ein Maler/Dichter sagte mir mal: Paradies ist für mich, wenn ich beim schönen Sex einen gewaltigen Orgasmus erlebe. Wie geht Sex? Zwei Menschen treffen sich, ziehen sich aus, und dann verwöhnen sich zärtlich mit Mund, Händen und dot-dot-dot, aufmerksam und einfühlsam, voller Hingabe. Auch wenn sie sich nur vernaschen wollen, kann das Erlebnis sehr tief sein. Das Denken ist nämlich weg, irgendwelche tieferen Schichten der Seele kommunizieren miteinander und scheren sich nicht um unsere Gedanken, Konventionen, Theorien und Moralvorstellungen. Schnurren und in die Augen schauen. Die Erinnerung bleibt: Auch ein einziges solches Erlebnis kann zu einer Erinnerung für das ganze Leben werden.

Cheese&Crackers können wir uns hoffentlich immer leisten. Eine Flasche Lecker-Whisky ist schon teurer, eine Yacht voller Kaviar kostet noch mehr. Alles gut für die Seele. Sex ist aber viel deftiger und - gratis. Nur ein paar Kondome braucht das Paar, und falls lesbisch, nicht einmal die. Das ist auch faszinierend.

Ich wohnte mal im Wiener Bezirk Gersthof. Dort sind alle reich und deswegen auch schön und sexy. Wenn die Jugend abends mit der Straßenbahn nach Hause fuhr, schauten sich alle (oder wir uns alle, ich machte mit) mit Vernasch-Blicken an. Die Männer sehr vorsichtig, die Frauen waren streng, blickten nur ganz heimlich. Diese Nichtkommunikation fuhr dazu, dass nie zu einer Verabredung gekommen ist, und alle gingen ohne Umarmung, Knuddel, Kuss oder Sex schlafen. Muži šli spát s tvrdým. Das Kuschel-Potential wurde täglich vergeudet. Vielleicht ist es heute schon anders. Wo anders auch: Als ich in Israel war, dachte ich nämlich – Wollen alle diese Frauen mit mir schlafen? Nein, sie sind dort einfach viel selbstbewusster, direkter, und das ist schön.

Sex und Macht

Sex gibt Frauen eine ungeahnte Macht, (auch deshalb wurden und werden sie unterdrückt). Heute könnten sie diese Macht ruhig ausspielen und müssten nicht einmal als Hetären arbeiten, vieles wäre mit einer freigiebigeren Einstellung zum Sex im Leben strahlender. Es sind doch so viele Single-Menschen im Umlauf, also: Kannst du meinen Computer reparieren? Bekommst einen kleinen Sex. Hilfst du mir, die WG-Küche auszumalen/umzuziehen/Hochbett bauen? Du wirst zwei Stunden erotisch verwöhnt. Bargeldlos ist doch modern. Die junge und alte undersexte Welt wäre fröhlicher und zufriedener. Sex ist auch viel wertvoller als das fade Ich mache was gutes zum Essen, ja? (ist auch billiger – siehe oben) Auf meinem Tisch liegt das Buch Fucking Berlin von Sonia Rossi, einer Studentin und Prostituierten. Ein sehr aufschlussreiches Buch. Auch Jungs auf Fahrrad mit Kindersitz sind zu ihr gefahren, um sich verwöhnen zu lassen. Wenn ich eine Frau wäre, lernte ich Sex richtig, statt Jobsherumlaufen hätte ich zweimal in der Woche abends gearbeitet - und jetzt, als eine habilitierte Doktora-Kurtisane, Fachartikel in der Fachsprache für die Fachzeitschriften geschrieben.

Frauen und Männer und Sex

Es ist nur schade, dass Frauen allgemein viel weniger Interesse am Sex haben als Männer. (Viele Frauen haben natürlich sehr viel Interesse am schönen Sex). Vielleicht ist es die x-jährige Unterdrückung, die Frauensex an Partnerschaft und Familie bindet, weg vom bloßen Genießen. Wird nach 50 Jahren ganz anders ausschauen! (Vor nicht zu langer Zeit durftet ihr Frauen nicht einmal studieren, eigentlich unglaublich.) Es ist nämlich sehr schön, abends, nach einem interessanten Gespräch, vielleicht auch nach einem guten Wein oder Essen, die Körper spielen zu lassen: Wie fühlt sich dieser Mensch, mit dem ich jetzt Interessantes besprochen habe, körperlich an? Ich will dich viel näher kennen lernen als nur durch Worte! Aber eben: Von den Singles hier würden sich 95,6% Männer, aber nur 11,2% Frauen auf so etwas einlassen. Und die Nicht-Singles? Denen würde ich kein Wort glauben.

Einwände? Aber was! Zählt die Cathouses in ihrer Stadt und ihr habt eine ungefähre Vorstellung über Männersexbedürfnis. Tomcathouses gibt es viel weniger. Oder Masturbation: Frauen deutlich weniger, diese tägliche Lust auf Sex ist nie so brennend. Stephen Frey beschreibt es süß: „Eine Frau sagte protestierend zu mir – Ich kenne es auch! Da habe ich vor zwei Tagen einen Mann mit einem knackigen Hintern gesehen, ich bin ganz nass geworden. – Eben, entgegnete Frey, bei mir war es vor zwei Stunden und da habe ich mich heute schon zweimal befriedigt“. Frey träumt den schönen Männertraum über Frauen, die endlich auf die Jagd gehen.

Die Technik: Hoo-Hoo Dilly and Cha-Cha

„Frauen sind den Blumen gleich, gar zärtlich zu behandeln“. Soviel Kamasutra, das Lehrbuch der Lust. Vorsicht! Nicht der Liebe, Liebe kann mau nicht lernen. Gemäß Mike Adams gibt es auf den amerikanischen Universitäten auch Masturbationskurse. Aber: Wenn eine Frau nicht ihren eigenen Körper ohne Bedienungsanleitung bedienen kann, was kann sie dann mit einem männlichen Körper anfangen? 43% of women report “some kind of sexual problem”, such as inability to achieve orgasm, boredom with sex, or total lack of interest in sex. Ufff! Die Hetäre ist schon bereit, in die Bresche zu springen.

Mund ist der Minne-Slusselin, jedoch Cunnilingus, zungeln der Muschel, diese leckere Verwöhnung, lernen gerade nur 16,5% Männer, und Fellatio, kunstvolles zärteln von Willy, nur 6,2% Frauen. Mund und Zunge haben ein Feinpotential, das die Geschlechtsteile nicht erreichen. Lesben und Schwule wissen es genau. Lust auf Oralsex soll einer der Hauptgründe sein, warum in unserer Kultur immer mehr Männer zu Prostituierten gehen. Eine Frau, die Fellatio wirklich lernt, wird von ihrem Mann vermutlich nie verlassen: Er weiß, dass er eine zweite solche kaum findet. Also - genießen wir einfach unsere Körper uns lernen wir immer was dazu!


Schlechte Theorie
Moderne Theorien, die Sex als einen bloßen Ausdruck der männlicher Unterdrückung darstellen wollen, sind eine Fortsetzung der alten sexfeindlichen Moral. Ein Beispiel, wie abwehrend unsere prüde Kultur mit Sex umgeht, bietet das Programm eines Uni-Seminars 2008.

Fragestellung: „Wollen Männer im Sexualakt grenzenlos geliebt / akzeptiert werden oder ist es doch ein Akt der männlichen Machtdemonstration in unserer Kultur (siehe Massenvergewaltigungen im Krieg, siehe das Drama von Amstetten)?“

Hier werden gleich fünf Dinge vermischt, Sex wird gar nicht verstanden, nur das Wort grenzenlos passt:

1a und b. Wir Männer wollen beim Sex (Sexualakt ist ein schlimmes Wort) einen sinnlichen Spaß mit einer grenzenlosen Wonne erleben, was nur möglich ist, wenn das die Partnerin auch miterlebt. Mit möglichst langem Abgang, so wie beim Wein, mit einer verschmelzenden Zärtlichkeit. Liebe ist ganz was anderes, geht natürlich mit Sex oft zusammen – und entsteht oft als Folge vom guten Sex.

2. Akzeptiert werden betrifft das ganze Menschenleben und hat mit Sex nichts zu tun. Wenn ich offen sein kann, werde ich beim Sex akzeptiert, so wie in der Arbeit oder beim Sport.

3. Massenvergewaltigungen im Krieg: Wird immer im Krieg passieren. Leider. Siehe Zimbardo-Experiment auf Stanford University. Einziges Gegenmittel: Krieg verhindern. Die größte Massenvergewaltigung der Geschichte war die der Rotarmisten 1944/45 (ca. 2 Millionen deutsche Frauen). Hallo? Höre ich was? Kein Seminar zum Thema?

4. Das Drama von Amstetten: Was für ein Drama? Ein Verbrechen. Eine unbefriedigte Bestie quälte Menschen. Wenn sie einen guten Sex gehabt hätte, hätten wir den Namen Josef Fritzl nie kennengelernt.


Wissenschaftliche Theorie

Menschen, die cunnilingus beherrschen, werden Linguisten oder Cunnilinguisten genannt. Franz Bopp, Sanskritist und Kamasutrakenner, Begründer der Indogermanistik, behauptete in seinem Werk über das Konjugationssystem der Menschen (1816), dass Oralsex ein indogermanisches Phänomen sei. Dies wurde am 16. Mai 1866, am 50. Jahrestag des Bucherscheinens endgültig widerlegt: Es handele sich um eine Universalie. Ein anderer namhafter Cunnilinguist und Sanskritist, Friedrich Rückert, wurde am 16. Mai geboren. Bopp war übrigens einer der ersten dreißig Ritter der zivilen Klasse des Pour le Mérite Cunnilinguale.

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